Im Leben ein jeder Zimmerpflanze kommt die Zeit, da sie ihren Platz ausgefült
hat. Verdunstet die letzte Flüssigkeit, welken die Blätter ab und
erscheinen die Ränder verbrannt, so trocknet alsbald das dünne Gewebe
und stirbt ab. Eingebettet in privaten Territorien jener, die Innenräume
bewohnen, festgehalten aus Sehnsucht nach Geborgenheit, Orientierung
und Sicherheit, erstarren Pflanzen seit dem 19. Jh. zu interieurisierten
Artefakten, in deren eigenwilliger Gegenständlichkeit sich das Verhältnis
bürgerlicher Subjekte zwischen Innen- und Aussenwelt wiederspiegelt.
War die Kultivierung von Landschaftsgärten im 18. Jh. Mode, so ist es bis
heute die völlige Integration und Domestizierung von Pflanzen in unseren
Kulturhabitaten. In der sorgsam gehegten Harmonie seiner künstlichen
Umgebung bleibt der hinwendungsvoll aufgezogene Hausgarten ein
Rückzugsgebiet, dessen Abgrenzung zur Unordnung jenseits des Zugriffsrecht
der eigenen Scheren und Zangen gepflegt sein will.
Dergestalt werden Zimmerpflanzen schon zu ihren Lebzeiten zu Trägern
einer zeitlichen Struktur, welche im Sinne Phillippe Dubois als Charakteristikum
eines fotografischen Akts gedeutet werden kann: Sie befinden sich
an der Schwelle von „einer entfaltenden Zeit zu einer erstarrten Zeit“ (1)
und überführen die Welt der Lebenden in das Reich der Toten. (2)
In Kati Krusches Pflanzendetails sedimentieren sich solche Narrative von
persönlichen Innenräumen. Herausgelöst aus ihren natürlich Lebenskontexten,
sprechen ihre Scanographien von der Sichtbarmachung und Wiederbelebung
verschütteter Synthesen in unbeweglicher Gestalt: Liebe,
Freude, Glück, als auch Verlust, Trauer und Vergänglichkeit werden an ihren
Gestalten erkennbar und kristallisieren sich in einer Ästhetik, welche
dazu verführt einem jeden „Pflänzchen“ die Qualität einer Seele zu übertragen.
In dieser Projektion entbehren Kati Krusches Pflanzenbilder einer nachahmenden
Idealisierung entlang eines Naturvorbild, wie es etwa Carl Blossfeldt
in seinen Studien zur Architektur von Pflanzen praktizierte. Vielmehr
hinterlässt das Abtasten des scanographischen Vorgangs Hell- und Dunkelunterschiede,
Schärfen und Unschärfen hervortreten, die sich jeglicher
enzyklopädischen Einordnung in die Typologie der Pflanzenwelt verweigern.
Es sind Pflanzenobjekte, die nur durch das Licht erschaffen wurden,
dass im Blick der Künstlerin auf den Produktionsprozess und sein Objekt
im Moment der Belichtung fällt. Filigrane Pflanzenteile erscheinen hierdurch
in unverhofft ephemeren Gestalten, welche ähnlich den Schattenumrissen
von Photogrammen den Moment ihrer Aufnahme antizipieren:
In ihrer vergrößerten Unbewegtheit sind sie bereits zu Zeugen ihrer irreversiblen
Verlorenheit geworden, welche den Akt des Vergehens in ihren
Pflanzenkörpern festhalten. Als „physische Spur des Wirklichen“ (3) werden
die abbelichteten Pflanzenkörper zu Hüllen „einer Zeit, die eigentlich beendet
ist“ (4), und verweisen darin immer schon auf eine Abwesenheit im
Gehäuse des Menschen.
Kati Krusches Fotografien befördern jene immanente Zerbrechlichkeit,
welcher sich die künstlerische Fotografie von Beginn an verschrieben hat.
In Konfrontation mit der Abwesenheit tragen die Pflanzenkörper verstörende,
wie auch wegweisende Wirkungen.
1 Philippe Dubois: Der fotografische Akt. Versuch über ein theoretisches Dispositiv,
Verlag der Kunst, Amsterdam 1998, S. 164
2 vgl. ebd.
3 ebd. .67
4 ebd.